Liegt das Herz der Finsternis inmitten alltäglichen Lebens? Mit Marie NDiaye kommt eine Autorin in den Literarischen Salon, die uns mit jedem Satz den Boden etwas mehr unter den Füßen wegzieht. Wussten wir auch im Vorfeld schon, dass Gewissheit eine Illusion ist, so tauchen wir mit „Die Rache ist mein“ oder „Ladivine“ in eine Welt ein, in der es keine Sicherheit mehr gibt, ja, Bedrohung uns schmeichelnd umfängt. Marie NDiaye, 1967 in Frankreich geboren, ist eine subtile Meisterin der Verstörung. Obwohl sie die großen Themen unserer Zeit behandelt - den Missbrauch von Kindern und Frauen, die Wunde Afrika, das schwarze Lebensgefühl, Flucht und Vertreibung – sind ihre Figuren doch niemals nur in der Gegenwart beheimatet. Ist das erzählte Geschehen Einbildung, Realität, konstruierte Erinnerung, Lebenslüge oder doch ein Abgrund, den die Charaktere in sich tragen? Mit jedem Roman nimmt uns die Prix-Goncourt-Gewinnerin aufs Neue mit in ein jeweils literarisch fein ziseliertes Psycholabyrinth. „Es ist unbegreiflich, wie sie das macht“, rief DIE ZEIT nach NDiayes jüngstem, inzwischen dreizehnten Roman „Die Rache ist mein“ über eine Anwältin, die eine Kindsmörderin vertritt: „So makellos und perfekt zu schreiben. Seit ihrem 17. Lebensjahr.“ Das ist thrillerhaft spannend und zugleich von zart-leichter Ästhetik. Man kann nicht anders, als eine Hymne auf diese Literatur singen.
Fotocredit: Marie NDiaye © Suhrkamp Verlag