Eine große Stärke von hilde besteht darin, völlig unerwartete, manchmal geradezu tollkühne Scharniere zwischen abstrakter Klangfindung und traditioneller Anmut zu finden. Diese Gabe offenbart sich vor allem in ihren Live-Konzerten. Für ihr aktuelles Album <i>Tide</i> hat die Band bewusst die Entscheidung getroffen, dieses Verhältnis ein erhebliches Stück in Richtung experimentelle Sinnlichkeit zu verschieben. Von wem welcher spielerische Impuls, welche Klangfarbe, Komposition oder spontane Idee kommt, spielt kaum eine Rolle. Hier wachsen vier Musikerinnen zu einer Person zusammen, zu hilde, einem Individuum mit vier Köpfen und acht Armen, das uns mit massiver Sanftheit gegenüber tritt.
Improvisation ist für Julia Brüssel, Marie Daniels, Maria Trautmann und Emily Wittbrodt ein Ausdruck von Freiheit, der nichts ausschließt und alles zulässt. Der Grundstein für diese intuitive Geschlossenheit der Musikerinnen liegt viel tiefer als das viel zitierte gegenseitige Vertrauen innerhalb einer Band. Er beruht auf einer wohlwollenden Verlässlichkeit, welche jede der vier Musikerinnen ein Gefühl der Sicherheit gibt, die sie braucht, um als hilde zum Äußersten gehen zu können und immer das Innerste zu erreichen – und umgekehrt.
Fotocredit: hilde © Anna Sorgalla