Selten hat ein Debüt in Polen so viel Aufsehen erregt wie der Roman „Weiße Nächte“ von <b>Urszula Honek</b>. Nicht nur erhielt sie in ihrem Heimatland zwei der renommiertesten literarischen Auszeichnungen, den Conrad-Preis und den Kościelski-Preis. Die englische Übersetzung wurde 2024 für den Internationalen Booker-Prize nominiert. „Die intensive, traumartige Stimmung des Schauplatzes einzufangen, in dem die ›weißen Nächte‹ als Kulisse für die inneren Reisen der Figuren dienen, ist die besondere Qualität dieses Buches“, hieß es im Votum der Jury: „Es ist eine dunkle, lyrische Erkundung von Menschen, die in einer flüchtigen Welt nach Sinn und Zugehörigkeit suchen.“ Tatsächlich sind es keine auserzählten Biographien, sondern eher Seelenstimmungen, die Honek in einem – ihrem? – verschlafenen Dorf in den Beskiden einfängt: Freunde, die sich aus der Schule kennen, gehen auf Arbeitssuche, zwei schon mit dem Tod im Herzen. Ein kleines Mädchen steht seiner Großmutter beim Sterben bei, ohne es zu wissen. Eine unverheiratete junge Frau, die als einzige im nahegelegenen Städtchen zur Schule gegangen ist, will mehr vom Leben, als es ihr bieten kann. Sie alle, die mit existentiellen Krisen zu kämpfen haben, lassen mit ihrer je eigenen Stimme ein erzählerisches Mosaik aus dreizehn miteinander verknüpften Geschichten entstehen.
Ende Februar erschien Urszula Honeks großer, schmaler Dorfroman in der hervorragenden Übersetzung von Renate Schmidgall bei Suhrkamp, und auch die hiesigen Kritiker sind voll des Lobes. „Der Dorfroman als Anti-Idylle hat in der polnischen Literatur eine lange Tradition“, sagte Nico Bleutge im Deutschlandfunk: „Doch Urszula Honek gelingt es auf großartige Weise, andere Linien in ihre Erzählungen einzuziehen, einen Blick für Details der Psyche oder ein Spiel mit magischen Momenten.“
Fotocredit: Urszula Honek © Jaceck Taran